Von Briefen, Notizen, Zetteln und Erinnerungen
Die Wurzeln der Paper Aeroplanes liegen an der walisischen Westküste, wo sowohl Sarah Howells als auch Richard Llewellyn aufgewachsen sind – zufälligerweise gar nicht mal weit voneinander entfernt. Seit 2005 machen die beiden zusammen Musik, seit 2009 gibt es die Paper Aeroplanes. In dieser Formation begeistern sie mittlerweile ganz Großbritannien. In Deutschland sammelten sie bereits Erfahrungen als Vorband von Ron Sexsmith Tina Dico und Tom Lüneburger. Jetzt sind sie als Headliner in einer Doppelkonzert-Tour mit dem Engländer Lee MacDougall unter dem Titel „Tales from Britain“ unterwegs und stellen auf diesem Wege ihr aktuelles Album „Little Letters“ persönlich vor.
„Little Letters“ ist bereits der dritte Longplayer der Papierflieger, die in Großbritannien zu den hoffnungsvollen neuen Bands gehören und seit drei Jahren konstant touren. Allein letztes Jahr gaben sie 100 Konzerte in ihrer Heimat und waren auf wichtigen Festivals vertreten. Das neue Album bietet gefühlvollen Pop mit Vocals, die laut Bob Harris von BBC 2, „sogar einen Piranha verzaubern würden.“ The Guardian beschreibt ihre Musik als „intimer, schwungvoller und souverän unaufdringlicher Pop mit einer grossartigen Melodie“. Im Radio gab es viel Unterstüzung durch BBC Radio 6 Moderator Steve Lamarcq, Cerys Matthews, Chris Hawkins und Lauren Laverne.
Musikalisch gesehen berufen sich Sarah und Richard auf Künstler wie Laura Veirs, Björk, Jeff Buckley, Gillian Welch, Everything But The Girl und Lucinda Williams. „Little Letters“ bewegt sich ein bisschen weg von den beiden Vorgängeralben, indem es mehr nach Band klingt als nach Duo, ihr Talent für griffige, atmosphärische, Folk-gefärbte Songs bleibt jedoch so stark wie zuvor. Sie erzählen pittoreske Geschichten über Freundschaft, verflossene Liebhaber und Kindheitserlebnisse, geprägt vom rauen Klima ihrer ländlichen Heimat. Dazu Sarah: „Wir sind permanent von unseren Heimatstädten und der kargen Bildsprache des wilden Westens inspiriert. In diesem Album dreht es sich um persönliche Erfahrungen mit Beziehungen und der grösstenteils versteckten Innenwelt der Menschen, die im Kontrast zu dem steht, was an der Oberfl6auml;che sichtbar wird. Wenn ich schreibe, ist mein Hauptanliegen, das auszudrücken, was mir normalerweise viel zu schwer fällt, in Worte zu fassen. Songwriting ist definitiv ein kathartischer Prozess.“
Sie fügt hinzu: „Ob es sich nun um gute oder schlechte Erinnerungen handelt, ich glaube, es ist wichtig, Gedanken festzuhalten und in eine Song-ähnliche Blase zu packen, um Platz für neue Erfahrungen zu schaffen. Der Titel ,Little Letters‘ hat sehr verschiedene Bedeutungen für uns. Es geht uns wie eigentlich allen heutzutage. Wir packen die Liebe und das Leben in ‚kleine Briefe’ von 140 Zeichen: Texte, Statusmeldungen, Tweets, Post-It Notizen, I Love Yous ...“
Der ruhige, intensive Song Sleeper Train zum Beispiel wurde von Sarah geschrieben, als sie im Zug von Xi’an nach Bejing sass. „Er erzählt davon, Verliebtheit mit jemandem in Grossbritannien via SMS zu erleben, während ich in China unterwegs war“, erläutert Sarah. „Als ich kaum zuhause angekommen war, funktionierte die Geschichte leider nicht mehr. Trotzdem hatte das ganze etwas sehr Intensives und Erinnerungswertes. In diesem Moment war er mein Zuhause, mein Ankommen.“
Multiple Love und Circus sind nach Sarahs Meinung die ehrlichsten Songs auf dem Album. „Circus handelt davon, Konzerte zu geben, von seiner Musik zu leben und vom alltäglichen Frust, den dieses Leben mit sich bringen kann. Multiple Love plädiert dafür, auf den Richtigen zu warten, statt einfach irgendwas anzufangen. Der Song könnte eine gute Hymne für Singles sein, aber vielleicht ist er ein bisschen zu traurig dafür.“
Die Single „When The Windows Shook“ hat die Tragödien aus Sarahs Heimatstadt Milford Haven zum Thema. Die kleine Industriestadt, wo noch jeder jeden kennt, wurde 1994 durch die Explosion in einer Ölraffinerie erschüttert. Nicht nur in Sarahs Haus zerbrachen alle Fensterscheiben, was sie als kleines Kind als sehr beängstigend wahrgenommen hat. 1996 ereignete sich die Sea Empress Ölkatastrophe vor der walisischen Küste, was die Nachrichten in Wales beherrschte. Sehr viel Natur wurde zerstört und viele Strände waren über Jahre verschmutzt. 2011 starben vier Menschen, darunter einer von Sarahs Nachbarn, bei einer weiteren Explosion in der Chevron Raffinerie in Pembroke, nicht weit von ihrem Zuhause entfernt.
Das Album bietet nicht nur bemerkenswerte Songs von Sarah und Richard, sondern wurde mit zwei weiteren erstklassigen Musikern aufgenommen: John Parker am Kontrabass (von Nizlopi) und Percussionist Martin Ditcham (Everything But The Girl, Talk Talk, Sade). Das Album wurde in Teilen von Phill Brown (Bob Marley, Bombay Bicycle Club, Talk Talk) in den Yellow Fish Studios in Lewes produziert. Browns old school Arbeitsweise hört man heraus – der warme Sound durch analoges Recording und die relaxte, atmosphärisch dichte Rhythmussektion bilden ein grossartiges Gerüst für die elf aussergewönlichen Songs.
„Little Letters“ ist ein fast intimer und doch sehr weit reichender Soundtrack aus dem Leben des Duos: Jeder Song ein kleiner Brief mit bedeutsamen Erinnerungen und pointierten persönlichen Notizen. Im Ergebnis ein aufrichtiges und raues Dream-Folk-Album mit großartigen Melodien, die lange nachklingen. |